Das Logo von Stellantis in einer seiner Fabriken, hier in Turin. © REUTERS
Messer im Peugeot-, Citroën-, Fiat- und Opel-Händlernetz: "Es droht ein Blutbad".
Der Autogigant Stellantis - Muttergesellschaft berühmter Marken wie Peugeot, Citroën, Fiat, Opel, Jeep und Chrysler - wird sein niederländisches Händlernetz umstrukturieren. Alle Händler haben diese Woche ein Schreiben erhalten, in dem sie darüber informiert werden, dass ihre Verkaufs- und Vertriebsverträge zum 1. Juni 2023 gekündigt werden.
Nach Angaben von Stellantis wurde das gesamte Händlernetz zum 31. Mai dieses Jahres für alle Marken, die das Unternehmen in unserem Land vertreibt, gekündigt: Peugeot, Citroën, Opel, DS Automobiles, Fiat, Alfa Romeo, Jeep, Abarth und Fiat Professional. Es gilt eine Kündigungsfrist von zwei Jahren. Insgesamt sprechen wir von 71 Vertragspartnern", sagt das Unternehmen. Diese Händler haben etwa 400 Niederlassungen in unserem Land. Auch in anderen europäischen Ländern, wie z. B. in Belgien, wurden alle Händlerverträge gekündigt.
Der Grund für die anstehende Umstrukturierung ist laut Stellantis der Übergang zu Elektroautos und die immer strengeren Umweltauflagen. Das Konglomerat entstand zu Beginn dieses Jahres aus einer Fusion zwischen der Groupe PSA (u.a. Peugeot, Citroën, Opel) und FCA Automobiles (Fiat, Chrysler). ,,Die ökologischen und regulatorischen Veränderungen wirken sich auf das Vertriebsmodell der Automobilindustrie aus und bewegen die Modelle der Marken in Richtung Elektrifizierung", heißt es in der niederländischen Zentrale.
Nicht aus heiterem Himmel
Konkret heißt das: 98 Prozent der Stellantis-Modelle müssen bis 2025 elektrisch sein. Fünf Jahre später sollte das für alle Modelle gelten. Ein weiterer Grund ist, dass Autos zunehmend auch online gekauft werden, so Stellantis. Eine Strategie, mit der Tesla schon seit einiger Zeit punktet. Diese Online-Verkäufe "haben das Kauf- und Konsumverhalten der Kunden verändert.
Die Entscheidung von Stellantis kommt laut Bovag nicht unerwartet. Die Gerüchte kursierten schon seit einiger Zeit", sagt Sprecher Tom Huyskens. FCA und PSA haben nicht ohne Grund fusioniert. Das macht man nur, wenn man glaubt, Kosten sparen zu können. Und die Fusion brachte neun bekannte Marken unter ein Dach. Dadurch gibt es jetzt eine Überschneidung im Händlernetz."
Kleine Händler leiden
Der AD-Automobiljournalist Niek Schenk erwartet, dass andere Autohersteller dem Beispiel Stellantis folgen werden. Dies ist erst der Anfang. Auch immer mehr Hersteller wollen ausschließlich online verkaufen, wie Volvo bald mit seinem C40. Letztlich wird dies zu einem Blutbad für die niederländischen Autohändler führen.
Vor allem kleinere Händler werden die Leidtragenden sein, meint BOVAG. Die Zahl der Händler ist seit Jahren rückläufig", sagt Huyskens. Auf der einen Seite gibt es große Player wie Van Mossel, die Händler aufkaufen und immer mehr Marken anbieten. Auf der anderen Seite kündigen die Autohersteller Verträge und stellen immer höhere Anforderungen an die Händler. Sie müssen viel in ihre Räumlichkeiten investieren und alle möglichen Regeln einhalten. Dieser Trend begann vor zehn bis fünfzehn Jahren."
Das wird bei Stellantis nicht anders sein, vermutet der Industrieclub Bovag. Die 71 Händler, die einen Vertrag haben, haben über 400 Filialen in unserem Land. Opel hat mit 115 Standorten die meisten Niederlassungen, gefolgt von Peugeot (115) und Citroën (107). Eine kleinere Marke wie Alfa Romea steht in 32 Filialen zum Verkauf und Maserati nur an 3 Standorten.
Bovag sagt, dass sie Stellantis-Händler mit Rat und Tat unterstützen wird. Sobald sie es verlangen, werden wir das Kündigungsschreiben studieren. Ist sie rechtlich einwandfrei, ist die Kündigungsfrist angemessen und fair? Denn was ist, wenn Sie als Händler gerade Millionen in ein neues Gebäude investiert haben und Stellantis nun Ihren Vertrag kündigt? Das wäre sehr unvernünftig."
Garage in der Nachbarschaft verschwindet
Der Automobiljournalist Schenk weist auf einen weiteren Grund hin, warum die Händler verschwinden werden: Elektroautos benötigen wesentlich weniger periodische Wartung. Der Motor besteht aus wesentlich weniger Teilen. Er befürchtet, dass der Verbraucher letztendlich darunter leiden wird. Das Ergebnis ist, dass die Verbraucher nicht mehr in der Lage sein werden, eine lokale Werkstatt aufzusuchen. Wenn Sie Probleme mit Ihrem Auto haben, sind Sie ein Narr.
Die Corona-Krise habe bereits im vergangenen Jahr die Bindung zwischen Händlern und Kunden erodiert, sagt der Automobiljournalist. Showrooms wurden deswegen geschlossen und die Branche konzentrierte sich voll auf Testfahrten zu Hause. Sich bei einem Händler umzuschauen, kam nicht in Frage."
Auto-Riese
Seit der Fusion ist Stellantis der viertgrößte Autohersteller der Welt, nur Volkswagen, Toyota und Renault-Nissan sind größer. Der Name leitet sich von dem lateinischen Verb "stello" ab, was "mit Sternen beleuchten" bedeutet. Das Unternehmen stellt jedes Jahr fast 6 Millionen Autos her, hat einen Jahresumsatz von über 183 Milliarden Euro und beschäftigt 400.000 Mitarbeiter. Der Hauptsitz der neuen Mega-Kombination ist in Amsterdam.